Voraussetzungen
Kapitel 1 | VoraussetzungenWie gewinnen wir?
- Was passiert in der Vorbereitung solcher Aktionen?
- Wie beginne ich, wenn ich mich mit Kolleg*innen organisieren will?
- Wie starte ich, wenn ich glaube in meinem Betrieb alleine zu sein?
- Von diesen Erfahrungen anhand dreier Kampagnen der IWW in den USA handelt diese Reportage. Wir denken, vieles davon ist übertragbar. Warum das so ist, erfahrt ihr auf den nächsten Seiten.
Kapitel 1 | Voraussetzungen Fühlst du dich auch manchmal Ohnmächtig im Alltag?
Kapitel 1 | Voraussetzungen Fühlst du dich auch manchmal Ohnmächtig im Alltag?
Wenn ich weiß was auf mich zukommt, kann ich mich auch wehren.
Viele von uns fühlen so etwas täglich. Gleichzeitig gilt aber auch: wenn wir uns mit unseren Kolleg*innen gemeinsam wehren, spüren wir eine Anspannung und Aufregung vor der Aktion, weil es ungewohnt ist sich offensichtlich zu wehren. Chef*innen investieren viel Zeit darin, mit welchen Techniken sie uns dazu zu bringen, zu tun was sie wollen. An den Universitäten werden tausende von zukünftigen Chef*innen für so etwas ausgebildet.
Herrschaftstechnik im Alltag
Auf Unternehmensseite heißen diese Mechanismen verharmlosend "Steuerungstechniken" oder "Managementstile". Das klingt neutral, verschleiert aber einiges. Es sind Herrschaftstechniken. In den hier untersuchten Kampagnen gibt es technische Hilfe für die Chef*innen: die Schichtplanungssoftware bei Starbucks, keine garantierte Stundenzahl bei Jimmy John's. Oder angeschrien werden bei Burgerville, weil Kolleg*innen das Eis nicht zubereitet haben, wie es das Unternehmen standardisiert haben möchte. Die USA sind die führende Weltmacht zur Zeit. Deshalb werden viele Herrschaftstechniken von dort kopiert und kommen im deutschsprachigen Raum an. Wenn wir die Strategien der Kolleg*innen in den USA beobachten, können wir sie auch in unseren Zusammenhängen verwenden.
Proletarische Kreativität vs. Unternehmerische Kontrolle
Selbst wenn die Chef*innen immer wieder probieren unsere kleinsten Regungen von Kreativität, unseren Gefühlen, unseres Körpers, kontrollieren zu wollen: Es gelingt ihnen niemals vollständig. Deshalb denken sie sich auch ständig etwas Neues aus. Im Krankenhaus sehen diese Techniken anders aus als in der Automobilbranche oder auf dem Bau. Für alle Bereiche gilt jedoch: Wenn wir verstehen welche Techniken sie anwenden, eröffnet das Räume für unseren Widerstand. Manchmal helfen uns Gesetze dabei, oftmals stehen sie uns aber im Weg.
Mehr zum Thema Herrschaftstechniken & den aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen findest du hier.
Kapitel 1 | Voraussetzungen Linker Generationen-Konflikt?
Kapitel 1 | Voraussetzungen Linker Generationen-Konflikt?
Die meisten Gewerkschaften sind überaltert, organisieren nur bestimmte Branchen und haben mit der Lebensrealität von vielen unserer Kolleg*innen, wenig zu tun.
Die Weltwirtschaftskrise traf 2008/2009 auch diese letztgenannten Gruppen am meisten. Viele alte Weisheiten und Weltdeutungen gerieten ins Wanken. In Folge entstanden verschiedene linke Bewegungen. Insbesondere in den USA und weiten Teilen Westeuropas zeichnet sich die Tendenz ab, dass unter 50-Jährige und insbesondere Milennials linker Denken und auch Wählen. Dies gilt insbesondere für Frauen, die mitunter deutlich linker Wählen als Männer in der jeweiligen Altersgruppe. Materielle Interessen sind dabei ein großer Faktor. Unter anderem deshalb, werden einige aktuelle Bewegungen auch von diesen Teilen der Klasse dominiert. Klassenverhältnisse scheinen wir mehr und mehr durch das Medium „Alter“ wahrzunehmen. Die Gemeinsamkeit eines jungen Teils der Arbeiter*innenklasse in den Metropolen besteht mit einem Teil an verarmten Rentner*innen. Demgegenüber steht ein riesiger Anteil an relativ gut abgesicherten Männer über 50 Jahren mit Privateigentum.
"Neue Klassenpolitik?"
In der Linken wurde in den letzten Jahren viel darüber diskutiert mit welchem Teil der Klasse es sich zu organisieren gilt. Oft unterschlagen wird, dass sich die Zusammensetzung der Bevölkerung ändert. Die Arbeiter*innenklasse sieht heute anders aus als vor 50 Jahren. Deshalb ist die Gegenüberstellung von Klasse vs. Geschlecht vs. Migration ein Pappkamerad. Möglicherweise geht es hier schlicht um Spaltungslinien innerhalb der Arbeiter*innenklasse und ihren jeweiligen Kampferfahrungen. Für Metropolregionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören diese Veränderungen in der Klasse, und ihren Kampfbedingungen, unwiederbringlich dazu. Sich diesem Umstand zu verschließen, geht an der Realität vorbei. Entsprechend ändern sich auch die Kampffelder, Schwerpunkte und Methoden. Auch unsere Fähigkeiten als Linke müssen sich dazu ändern.
Eine Verdeutlichung der Tendenz, dass Milennials sich unter den prekären Bedingungen neuer Methoden bedienen um sich zu organisieren, ist diese Studie. Dies bedeutet nicht, dass es keine Verbindungen über Grenzen von Generationen hinweg geben kann, es deutet aber daraufhin, dass sich das Kräfteverhältnis ändert und weiter ändern muss.
Mögliche Umgangswege
Siehe zur Analyse der "Generation Left" das entsprechende Buch.
Ein paar strategische Überlegungen zur Überwindung der Spaltung unserer Klasse machen einige Genoss*innen von Plan C aus UK dazu. Ebenfalls in ihrem Podcast.
Kapitel 1 | Voraussetzungen Nichts ist, wie es scheint
Kapitel 1 | Voraussetzungen Nichts ist, wie es scheint
Bilder vs. Realität
Größe der Komitees
- Selbst in großen Kampagnen, mit vielen hunderten oder tausenden Streikenden, sind die Vorbereitungsgruppen oftmals klein (2-10 Leute).
- Es gibt kleine Kreise die etwas initiieren und manchmal schließen sich Kolleg*innen an. Manchmal nicht (es macht natürlich Sinn herauszufinden warum nicht)
- 3-5 Leute ist für ein Komitee zu Beginn eine gute Größe. Wichtiger ist wahrscheinlich, diesen Kreis stabil zu halten.
- Viele unserer Mitglieder starten auch alleine in einer Firma. Wie das geht, üben wir gemeinsam.
- Die untersuchten Kampagnen starteten in WG's von Linken. Das kann auch ein Spielplatz sein, oder eine Kneipe oder ähnliches.
- Eine Umgebung von Menschen mit Erfahrungen und einer wohlwollenden Umgangs-, Fehler-, und Lernkultur ist notwendig, um erfolgreich zu sein.
- Wahrscheinlich war das vor 100 Jahren auch nicht anders. Aber in der Geschichtsschreibung wird oft nur von wenigen männlichen Helden berichtet, die einfach irgendwo hingingen und plötzlich revoltierten "die Massen". Das war noch nie so einfach und wird es auch nie sein.
- Wir wollen keine Einzelkämpfer(!) die sich an Kamikaze-Aktionen verbrennen. Unsere Leben sind dafür zu kostbar und unserer Klasse hilft das auch nicht. Wenn diese Helden dann ausgebrannt sind, fällt nämlich alles zusammen.
- Organisierungen haben sehr viele Auf's und Ab's. Das ist Normal. Vermutlich verlieren wir in 70% der Fälle, dafür sind die 30% umso mehr zu feiern.
- Politische Bildung im Sinne von: "Warum ist die Welt so wie sie ist und warum ist es so schwer für uns zu gewinnen?" sollte zumindest von Zeit-zu-Zeit gemacht werden. Das verhindert frustriertes Ausbrennen und Rückzug.
- Wir empfehlen, euch bewusst vorher dazu zu entscheiden, wo ihr euch anstellen lasst und welche Branche ihr bearbeiten wollt.
- "Hot Shop" Kampagnen, wo ein*e Kolleg*in auf uns zukommt und der Laden bereits unter Feuer steht, finden wir unterstützenswert, aber sie sollten nicht den Hauptteil unserer Überlegungen ausmachen.
- Wenn wir uns für eine Firma gezielt entscheiden, bestimmen wir das Tempo das wir gehen wollen und können(!)
Kapitel 1 | Voraussetzungen Erkenntnisse
Kapitel 1 | Voraussetzungen Erkenntnisse
Im Laufe der Studie fielen ein paar Dinge als Besonderheiten auf, sie können auch bei der Planung neuer Kampagnen helfen. Es wurden 17 Kolleg*innen interviewt:
Vorerfahrungen
- Alle Kampagnen wurden politisch erfahrenen Organizer*innen gestartet. Sie waren vorher schon gewerkschaftlich/politisch aktiv.
- Es gab mehr Aktive als die Organizer*innen die starteten. Es gab viel Wechsel. Als Stabilisierung benötigte es aber einen Kern von 3-5 Leuten
- Organizer*innen in der IWW und der radikalen Linken wurden gezielt angeworben. Politisch Aktive Leute sind hilfreich, da es für sie nicht so schlimm ist bei Bedarf auch mal den Job zu verlieren. Sie gehen deshalb mehr Risiko ein.
- Die Betriebe wurden gezielt ausgesucht, weil sie eine bedeutende Rolle in der Branche/Region spielen und eine erfolgreiche Organisierung auch die Branche/Region verändert.
- Alle Arbeitsplätze hatten eine hohe Fluktuation, die Betriebszugehörigkeit der Organizer*innen war zum Teil am längsten.
- In den Filialen die zwischen 5-25 Arbeiter*innen fassen, schwankte auch die Mitgliederzahl in den Kampagnen (2-25).
- Als Vorbild der Kampagnen diente die Starbucks Workers Union. Bedeutet: Die SWU als teilautonome Organisierung, die in Verbindung mit der IWW steht, aber auch unabhängig agieren kann.
Kapitel 1 | Voraussetzungen Von Hier zur Revolution
Kapitel 1 | Voraussetzungen Von Hier zur Revolution
Wir organisieren unsere proletarische Selbstverteidigung, haben damit aber auch das Ziel, alles Leid in der Welt endgültig abzuschaffen.
Selbstverteidigung, die nur mittels Solidarität effektiv sein kann. Gleichzeitig stellen wir uns damit auch in die Tradition der revolutionären Arbeiter*innenklasse.
Während es im Kapitalismus diejenigen gibt, die von ihrem Reichtum leben und uns, die wir von unserem Lohn leben müssen - stellt sich die Frage warum alles so bleiben sollte wie es ist. Da die Rechte Global jedoch in den letzten Jahrzehnten an vielen Stellen recht erfolgreich war, sind wir darauf angewiesen zu einer revolutionären Bewegung beizutragen in dem wir für eine Welt Kämpfen, die nach unseren Bedürfnissen organisiert ist.
Für diese Gesellschaftsform brauchen wir auch Fähigkeiten und solidarische Beziehungen um eine solche Gesellschaft zu verwirklichen. Für uns bedeutet diese Form emanzipatorischer Organisierung, die Keimformen einer neuen Gesellschaft in der Schale der Alten zu formen. In unseren Kämpfen erproben wir solidarische Umgangsformen, die uns dabei helfen zu lernen, wie wir eine Kultur der Unterstützung aufbauen, in der jede*r ohne Angst verschieden sein kann. Diese Versuche müssen unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen scheitern, müssen es aber nicht auf langfristige Sicht. Dazu organisieren wir uns entlang unserer Interessen als kämpfende Klasse und nicht anhand nationalstaatlichen Grenzen. Wir fragen nicht nach der Erlaubnis bestehender Institutionen, sondern nehmen uns was uns zusteht. Immer in Aushandlung mit unseren Kolleginnen und Kollegen, basierend auf unserer Idee des solidarischen Unionismus.
Mehr dazu später in Kapitel 3
Burgerville Workers Union
Kapitel 2 | Die "Burgerville Workers Union" Burgerville in Portland, Oregon
Kapitel 2 | Die "Burgerville Workers Union" Burgerville in Portland, Oregon
Burgerville: Fast Food - aber Bio
Biologisches Fast-Food?
Eines der Markenzeichen für Burgerville ist ihr Fokus auf Produkte die nach Eigenangabe regional, biologisch, nachhaltig und frei von Antibiotika sind. Die Kette wirbt damit, dass alle Filialen mit Windenergie betrieben werden und auf die Gesundheit der Arbeiter*innen geachtet werde. Insofern ist das Unternehmen ein bedeutender Arbeitgeber in der Region, dessen Image als liberal und weltoffen in einem mit New York City vergleichbaren sozialdemokratischen Klima passend ist. Das Unternehmen ist Teil, der in den 1970er Jahren stark wachsenden Systemgastronomie.
Strategische Auswahl des Unternehmens
Es ist aber auch strategisch für die IWW bedeutsam, da eine Veränderung auch eine langfristige Wirkung auf die Zulieferer und anderen Ketten/Läden in der Region hätte. Die Kolleg*innen arbeiten dort nach Mindestlohn von $9.75 Dollar pro Stunde, zum Teil in bis zu drei Jobs, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie haben auch nach mehreren Jahren Arbeit dort kaum Chancen auf eine starke Lohnerhöhung, mal abgesehen von der fehlenden Jobsicherheit.
Kapitel 2 | Die "Burgerville Workers Union" Vorgeschichte
Kapitel 2 | Die "Burgerville Workers Union" Vorgeschichte
Kapitel 2 | Die "Burgerville Workers Union" Weiterführende Folgen
Kapitel 2 | Die "Burgerville Workers Union" Weiterführende Folgen
Was wurde aus den Erfahrungen der Kolleg*innen?
- Nach Angaben der Burgerville Workers Union, sind sie die erste staatlich anerkannte Gewerkschaft im Fast-Food-Sektor der USA. Bei ihrem ersten Streik im Herbst 2018 haben sie nach ihren Angaben, den größten Streik im Fast-Food-Sektor überhaupt organisiert: ca. 50 Kolleg*innen haben daran teilgenommen.
- Von 5 Mitgliedern auf über 60 Mitglieder im ersten Jahr, ist die BGWVU gewachsen
- Die erste vergleichbare Kampagne im Sektor hat sich ebenfalls gegründet: die Little Big Union
Neugierig auf weitere Organizing-Modelle?
- Die Jimmy John's Workers Union in Minneapolis, Minnesota
- Die Starbucks Workers Union in New York City
Ausblick & Tools zum Selbermachen
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum Selbermachen Wo fange ich an?
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum Selbermachen Wo fange ich an?
Ich will organisieren. Wie starte ich?
Wo fängst du an? Einige Leute attackieren lauthals ihren Boss oder bekommen einen Wutanfall nachdem sie unfair behandelt wurden. Das kann sehr gefährlich sein. Das Management achtet sehr genau darauf seine Macht zu schützen und wenn du ihre Autorität in Frage stellst, wirst du zur Bedrohung. An den meisten Arbeitsplätzen bist du ab dem Moment ein Provokateur in den Augen der Unternehmensführung. Wenn du dich vorher noch nie aufgelehnt hast, wirst du geschockt, verletzt oder wütend darüber sein wie schnell das Management sich gegen dich wenden wird. Das ist ein guter Grund um vorsichtig dabei zu sein, wenn du anfängst mit anderen zu reden.
Rede mit deinen Kolleg*innen und frage sie danach was sie darüber denken wie es am Arbeitsplatz läuft. Was denken sie über die Probleme die dich bewegen? Höre dir an was andere zu sagen haben. Bringe ihre Sichtweise und Meinungen in Erfahrung.
Die meisten Menschen glauben ein/e OrganizerIn ist eine gute Aufrührerin und Anheizerin (und es gibt Zeiten in denen das notwendig ist), aber eine gute Organizerin stellt vor allem gute Fragen und hört anderen zu. Wenn du gut zugehörst hast, kann du nicht nur deine eigene Sichtweise und Gefühle wiedergeben, sondern auch die deiner Kolleg*innen.
Quelle: wobblies.org
Auf den nächsten Seiten findest du ein paar Werkzeuge dazu.
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum Selbermachen Organizing
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum Selbermachen Organizing
Strategie zur Planung von Kämpfen
(1) IWW Organizer*innen arbeiten so gut wie immer in dem Betrieb in dem sie organisieren. Sie verlassen sich nicht auf professionelle Gewerkschaftssekretäre. Damit bleiben auch die Erfahrungen und das Wissen das im Organizing erworben wird, in der Arbeiter*innenklasse.
(2) Während Gewerkschaften ihre Mitglieder oftmals Mitgliedskarten unterschreiben lassen um für sie zu verhandeln, fokussieren die IWW darauf Kolleg*innen als Anführer*innen auszubilden. Dazu kommt ein hohes Maß an Engagement mit dem Ziel die wirkungsvollste Waffe von ArbeiterInnen freizusetzen: direkte Aktionen auf Betriebsebene. Die Gewerkschaft ist jeden Tag auf Betriebsebene aktiv, sich gegenseitig unterstützend um den täglichen Kampf mit kleinen und großen Aktionen gegen den Chef in Bezug auf Probleme im Betrieb zu führen.
(3) In IWW Kampagnen, entscheidet das Organizing-Komitee der Arbeiter*innen über ihre Aktionen, nicht die Gewerkschaftsfunktionär*innen, Anwälte, oder PR-Menschen. Diese Unterschiede sehen zu Beginn nach kleinen Details aus, haben aber eine weitreichende Folge auf die Form der Bewegung die aufgebaut werden soll. Durch den Aufbau einer Gewerkschaft die von ArbeiterInnen geführt wird, arbeitet die IWW an dem Aufbau einer Welt die in der Hand von ArbeiterInnen liegt.
Weiterlesen
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum SelbermachenOrganizing TrainingsWerkzeug zum Selbermachen | #1
Im Kalender nach Trainings schauen
Ein Training organisieren
Trainer*in werden
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum Selbermachen Aus Erfahrungen lernen Werkzeug zum Selbermachen | #2
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum Selbermachen Aus Erfahrungen lernen Werkzeug zum Selbermachen | #2
"Das Leben von uns ArbeiterInnen ist voll von Geschichten über Kämpfe, Perspektiven und Sehnsüchte, die wir täglich miteinander teilen."
Geschichten verändern uns
Geschichten zeigen ihre Wirkung nicht erst nach dem wir denken und fühlen. Das Erzählen von Geschichten ist ein Akt der Reflexion und des Denkens. Sie stellen nicht einfach nur das dar, was wir denken; das Erzählen einer Geschichte erzeugt neue Gedanken und verändert die zurückliegenden. Wir haben wahrscheinlich alle schon einmal eine Veränderung gespürt, nachdem wir anderen eine Geschichte erzählt haben. Wenn wir uns mit unserer Partner*in auseinandersetzen, ihr*m zuhören und in Worte fassen, was uns passiert ist, erfahren wir neue Sichtweisen auf unsere Handlungen. Auch kritisiert zu werden, verändert unsere Erinnerungen auf eine Situation und Fehler. Gut Durchdachtes zeigt sich in anderem Licht.
Erfahrungen in Sprache fassen
Es liegt etwas sehr machtvolles in dem Prozess der Beteiligten, eine Sprache für ihre Erfahrungen in Kämpfen zu finden. Dieser Prozess beinhaltet beides: die Dinge, die uns geschehen sind, und wie wir sie in Worte fassen. In der Umwandlung von Erinnerungen in die Realität vollzieht sich eine emotionale und fantasievolle Wandlung. Als Lesende stellt sich Erstaunen über großartige Arbeit ein, das kann uns mitreißen, kann uns mit starken Gefühlen erfüllen, uns motivieren und unseren Blickwinkel auf das Mögliche und Notwendige verändern. Die Rekonstruktion dieser Geschichten bewegt uns dazu, diesen Prozess von zwei Seiten aus zusehen. Als Teilnehmende in sozialen Kämpfen und als eine Möglichkeit daran teilzuhaben.
Quelle: Nappalos, Scott (2013); S. 2
Kampferfahrungen nachlesen
Andere IWW Mitglieder in deiner Nähe finden
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum SelbermachenBroschüre: How to fire your bossWerkzeug zum Selbermachen | #4
Auszug:
"Unseren Lebensunterhalt mit Lohnarbeit finanzieren zu müssen, kann sehr erniedrigend sein. Das ist wahrscheinlich allen Kolleg*innen, die in dieser Lage waren oder sind, bekannt. Die Grundprinzipien von Freiheit, Gleichheit und Solidarität, auf die unsere Gesellschaft aufgebaut sein soll, enden spätestens mit dem Betreten des Arbeitsplatzes. Wir dürfen nicht darüber mitbestimmen, was produziert wird, und schon gar nicht, wie die Produktion organisiert ist. Wir können nicht darüber entscheiden, wie viel Zeit wir für die Pflege von Pflegebedürftigen oder die Betreuung von Kindern zur Verfügung haben. Aber wir sollen fleißig arbeiten und unseren Kopf geduckt halten."
Download der Broschüre
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum SelbermachenSolidarische NetzwerkeWerkzeug zum Selbermachen | #5
Auszug:
"Das Auftauchen von Solidarischen Netzwerken (engl.: Solidarity Networks) hat nicht nur in den USA, sondern auch international zu Experimenten und Debatten geführt. Soweit wir wissen, ist ihre Entstehung auf das Seattle Solidarity Network zurückzuführen. Einfach gesagt ist ein Solidarisches Netzwerk eine Gruppierung, die direkte Aktionen durchführt, um Kämpfe von Einzelnen oder Gruppen, typischerweise Arbeiter*innen oder Mieter*innen, zu unterstützen. Im Unterschied zum traditionellen gewerkschaftlichen Organizing begann das Seattle Solidarity Network ein Milieu zu mobilisieren, das bereit war Probleme zu bearbeiten, die Menschen aus der Arbeiter*innenklasse haben, egal wo sie leben oder arbeiten. Das bedeutet auch zu kämpfen, wo es bereits eine Gewerkschaft gibt, wo jemand auf sich allein gestellt ist oder wo sich viele Mieter*innen und Beschäftigte engagieren."
Download der Broschüre
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum Selbermachen Die letzten Jahre der IWW
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum Selbermachen Die letzten Jahre der IWW
Zum erfolgreichen Organizing gehört auch die Auswertung von Niederlagen, nicht nur der Erfolge.
Während von diesen nur wenige als IWW Kampagnen an die Öffentlichkeit gingen, versuchten wir die Erfahrungen zu konservieren und weiterzugeben. Wir wissen das Komitees oftmals von 1-3 Personen angestoßen wurden und die Komitees wieder zusammen fielen. Einige der Organizer*innen landeten in anderen Organisationen, anderen Kampagnen oder verließen die IWW wieder. Zu einem gewissen Maße ist das normal, die Entwicklung folgt auch der geschichtlichen Linie der IWW. Das ist aber auch der Grund warum es nur wenig öffentliche Aktionen bzw. Wahrnehmung von uns gab. Wir testen viel und haben uns deshalb auch auf unserer Strategiekonferenz in Hamburg 2018 auf einige grundlegende Dinge geeinigt.
Da wir in erster Linie Kolleg*innen ermutigen wollen selbst aktiv zu werden und dies am liebsten auch mit uns zu tun, haben wir einige Erfahrungsberichte veröffentlicht. Die Liste ist unvollständig und wird erweitert wenn Kolleg*innen noch mehr Erfahrungen aufschreiben.
- Hallo Pizza Leipzig
- Eurest Frankfurt a. M.
- Callcenter in Rostock
- Chemische Großindustrie Hamburg
- Ökologische Landwirtschaft
- Deutsches Rotes Kreuz in Köln
- Gedenkstätte in Brandenburg
- Die Pflegeexperten in Frankfurt a.M.
- Sozial-, und Erziehungsdienst in Bremen
- Sozial-, und Erziehungsdienst in Berlin
- Verarbeitendes Gewerbe in Bern & Zürich
- Sozial-, und Erziehungsdienst in Wien
- Beteiligung an Frauen*streik - Komitees in Deutschland, Österreich, Schweiz
- Deutsche Bahn SSC Deutschland
- Callcenter in Kassel
- English Shop in Köln
- Kunststoffindustrie Kassel
- Autovermietung Sixt in Rostock
Kapitel 3 | Ausblick & Tools zum SelbermachenEinige aktive Kampagnender Industrial Worker of the World
Öffentlich gehen vs. unter dem Radar bleiben
Wir empfehlen allen Kolleg*innen erst innerhalb des Betriebes genug Stärke aufzubauen und ein belastbares Netzwerk an Kolleg*innen zu bilden. Erst im Anschluss macht es Sinn an die Öffentlichkeit zu gehen. Entsprechend sind hier viel weniger Kampagnen sichtbar als wirklich existieren. Dies ist auch im deutschprachigen Raum der Fall.
Stardust Family United
"Ellen's Stardust Diner" ist ein Restaurant am Broadway in New York City in dem die Kolleg*innen die servieren, auch gleichzeitig Schauspieler*innen sind und im Laden Live singen. Seit 2016 organisieren sie sich in der IWW.
Deliverunion
Die, in UK von der IWW und IWGB gestartete europaweite Kampagne von Deliveroo-Fahrer*innen hat viel Öffentlichkeit bekommen, und in der so genannten Gig-Economy einiges durcheinander geworfen. In Deutschland wurde dies insbesondere von der FAU vorangetrieben.
Labournet.tv hat davon ein paar Videos zusammengestellt. Vielen Dank!
Little Big Union
Mit Inspiration der Burgerville Workers Union, haben sich Kolleg*innen bei der Gastronomiekette "Little Big Burger" organisiert.
Organizing App 'Wobbly'
Kolleg*innen aus UK arbeiten an einer App zur Organisierung von Kolleg*innen, die auch aus der Erfahrung bei Deliveroo entstanden ist.
Youtube Playlist
Alle Videos aus dieser Dokumentation + Bonusmaterial.
Weiterführende Links & Literatur
Kapitel 4 | Weiterführende LinksWeiterlesen & Kontakt
Interview & Veranstaltungs-Anfragen
Wir stehen euch bei Interesse sehr gerne zur Verfügung. Wenn ihr Feedback/ Fragen/ Kritik habt, schickt uns eine Mail. Wenn ihr die Originalstudie haben wollt, fragt gerne. organizing@wobblies.org
Archiv | Recomposition
Für viele von uns Organizer*innen war der Blog von IWW Mitgliedern aus Nordamerika eine große Inspiration und hilfreich einen neuen Blick auf die eigenen Arbeitsverhältnisse zu bekommen. Leider ist der Blog mittlerweile offline. Das Archiv der Artikel findet ihr weiterhin auf Libcom.
Buch | 'Lines of Work'
Aus dem Material des Blogs Recomposition hat die Redaktion im Jahr 2013 ein Buch gemacht. Einige der Texte findet ihr auch übersetzt auf wobblies.org
Blog | Organizing.Work
Teile der ehemaligen Redaktion von Recomposition haben dieses Nachfolgeprojekt ins Leben gerufen. Sie schreiben weiterhin über ihre Kampferfahrungen.
Blog | New Syndicalist
Unter anderem inspiriert von Recomposition, schreiben hier Organizer*innen der IWW in UK über ihre Arbeitserfahrungen.
Buch | 'Riding for Deliveroo'
Der ehemalige Fahrer von Deliveroo, Callum Cant, schreibt über seine Arbeitsbedingungen und die Kämpfe bei Deliveroo in UK, die an denen er mit den Gewerkschaften IWW und IWGB beteiligt war.
Buch | 'Class Power on zero hours'
Auswertung der Erfahrungen von Kolleg*innen aus West-London über ihre Organizing-Erfahrungen. Teile der Gruppe sind IWW Mitglieder.
Kapitel 4 | Weiterführende Links Wer sind die IWW?
Kapitel 4 | Weiterführende Links Wer sind die IWW?
- Bildung
- Organisation
- Emanzipation
Weiterlesen auf www.wobblies.org
Vielen Dank für die Mithilfe & Inspiration
- Organizing Abteilung IWW GLAMROC
- Technik Komitee IWW GLAMROC & Arne, Jennie, Tobias
- Patriarchat-Angreifen! - Komitee IWW GLAMROC
- Organizing Department IWW North America
- Organizer Training Committee IWW North America
- Organizing Konferenz 2016 in Bay Area/San Francisco, Kalifornien
- Allen Interviewpartner*innen und mutigen Kolleg*innen
- Brandworkers International NYC
- Redaktion Recomposition.info
- Linkskommunistisches Bündnis ...ums Ganze!
- Gruppe Zweiter Mai Hamburg
- Bremer Erwerbslosenverband
- Redaktion 'Materialien für einen neuen Antiimperialismus'
- Allen Freund*innen der IWW und der Arbeiter*innenbewegung
- Rosa-Luxemburg-Stiftung
- Gewidment allen Kolleg*innen, die täglich für eine bessere Welt kämpfen.
Gesellschaftliche Bedingungen
Gesellschaftliche Bedingungen Der technologische Angriff
Gesellschaftliche Bedingungen Der technologische Angriff
Herrschaftstechniken heute: Der technologische Angriff als Versuch der Einsaugung von Subjektivität
Wandel kapitalistischer Herrschaft
Sie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten viel mit Herrschaftstechniken beschäftigt und beschreiben, wie sich in der Geschichte des Kapitalismus Herrschaft entwickelt und verändert. Am Beginn des Fordismus und der Einführung des Fließbands, begreifen Unternehmer die Auseinandersetzungen mit uns Arbeiter*innen als "Krieg". Sie versuchen unsere Subjektivität: Gefühle, Mentalitäten und Formen in denen wir denken, für ihre Interessen nutzbar zu machen. Unser Lebensrhythmus muss erst auf die Lohnarbeit trainiert werden, sonst würden wir am Arbeitsplatz nicht 'funktionieren' um ‚pünktlich’ morgens aufzustehen, Anweisungen von fremden Leuten entgegen zu nehmen und einen großen Teil unseres Lebens Dinge zu tun, über die wir kaum Kontrolle haben. Mit unheimlich viel offener und verdeckter Gewalt wurde dieses System durchzusetzen versucht. In der Hochzeit dieser Auseinandersetzung hatte die IWW ihren Höhepunkt.
Menschen wie Maschinen
Diese Idee, Menschen sollen wie Teile eines Fließbands funktionieren, führte auch zu mathematischen Modellen der Steuerung von Unternehmen und ihren Strategien. Wenn Chef*innen Faktor X mit Faktor Y kombiniert, kommt wirtschaftlicher Erfolg dabei heraus. Zumindest soweit ihre Kalkulation. Dieses Modell sollte nicht nur für die Produktion gelten, sondern für alle Bereiche der Gesellschaft. Einige nannten die Verhältnisse unter denen wir Leben, deshalb auch Fabrikgesellschaft.
Die globale Revolution von 1968
Mit der erfolgreichen globalen Revolte von 1968 gegen dieses mechanische Herrschaftsmodell, lies sich diese Form Herrschaft zu organisieren, für die Klasse der Unternehmer*innen nicht mehr halten. Sie wandelten deutlich ihre Vorgehensweise. Von dem mathematischen Modell wurde Abstand genommen. Heute dominieren im globalen Norden Versuche, die Subjektivitäten von Kund*innen und uns Arbeiter*innen zu verstehen und mit Hilfe von 'freiwilligen Anreizen' Unterwerfung zu organisieren. Kleine Kontrollmechanismen und die Betonung der 'Freiwilligkeit' gehören dazu. Diese Tatsache nennen wir den technologischen Angriff.
Revolutionäre Subjektivität
Diese Herrschaftstechniken stellen wirkungsvolle Ideologien dar, aber ihre vollständige Durchsetzung bleibt die Fantasie ihrer Vollstrecker*innen. Geschichtlich lässt sich rekonstruieren, wie sich Widerstand immer in Abgrenzung zu neuen Techniken bildete und sich ihrer Kontrolle entzog. Unsere Frage ist: lässt sich dieser Widerstand verallgemeinern und Wirkungsvoll einsetzen. Ob uns das gelingt, ist leider nicht vorauszusehen.
Gesellschaftliche Bedingungen Die aktuelle Lage
Gesellschaftliche Bedingungen Die aktuelle Lage
Verstehen lernen um erfolgreich zu kämpfen: Aktuelle Bedingungen für gewerkschaftliche Organisierung
Kämpferische Branchen
Bereiche wie der Sozial-, und Erziehungsdienst, das Gesundheitswesen, Gastronomie und weitere Bereiche von Dienstleistungen nehmen zahlenmäßig zu. In diesen Bereichen entwickelt sich entweder neue gewerkschaftliche Stärke, oder aus alten Niederlagenerfahrungen werden neue Erfolge.
Weltmeister in Sachen Herrschaftstechnik
Die USA, Deutschland und China gehören zu den weltweit führenden Ländern, wenn es um soziale Spaltungstechniken angeht. Mit langjähriger Erfahrung durch Spaltungen mittels Technik, Lohngruppen, Aufenthaltsstatus, Geschlecht und Herkunft, werden hier besonders feingliedrig Herrschaftsansprüche durchgesetzt. Bisherige Gewerkschaftsstrategien stehen auf dem Prüfstand und es scheint mehr und mehr wichtig zu sein, dass Belegschaften sehr strategisch und taktisch planvoll vorgehen, um auf die Angriffe durch Bosse zu reagieren.
Niederlagenerfahrungen
40 Jahre Neoliberalismus, 10 Jahre Austeritätspolitik und die damit einhergehenden Niederlagenerfahrungen haben allerdings tiefe soziale und psychische Spuren hinterlassen. Vor allem bei langjährigen Aktivist*innen. Erfahrene Aktivist*innen werden müde oder sind frustriert, jüngere Aktivist*innen sehen sich einer großen Unsicherheit in ihren Leben konfrontiert, aber auch mit wenigen Erfolgserfahrungen ausgestattet. In dieser Reportage fragen wir uns, wie wir uns unter diesen Bedingungen organisieren können und schauen in die USA, weil dort der neoliberale Umbau ein paar Jahre vorher einsetzte. Wir lassen euch an unserer Reise teilhaben.
Gesellschaftliche Bedingungen Zur Lage der Linken ...und unseren Herausforderungen
Gesellschaftliche Bedingungen Zur Lage der Linken ...und unseren Herausforderungen
Im Jahre 2020: Zur Lage der (gewerkschaftlichen) Linken
Unterschiedliche Aspekte linker Geschichtsschreibung
Vor diesem Hintergrund ergeben sich unterschiedliche Geschichtserzählungen der letzten 30 Jahre. Diese verlaufen oftmals anhand der Linien Geschlecht, Herkunft und Alter. Sie basieren nicht nur auf verschiedenen Perspektiven, sondern auf realen materiellen Bedingungen. Die relativ gut abgesicherten Kernbelegschaften in Schlüsselindustrien und dem öffentlichen Dienst schrumpfen und mit verschiedenen faulen Kompromissen wurde eine Spaltung der Klasse entlang Geschlecht, Herkunft und Alter vertieft. Ein riesiger Niedriglohnsektor steht relativ gut abgesicherten Branchen gegenüber. Oftmals auch in dem selben Betrieb bei gleichen Tätigkeiten.
Veränderte Weltlage
Diese alten Kernbranchen wie die Automobilindustrie, Kohle-, und Bergbau beschäftigen zunehmend weniger Kolleg*innen. So ist es auch kein Zufall, dass wachsende Sektoren wie der frauendominierte Sozial-und Erziehungsdienst, das Gesundheitswesen und verschiedene Dienstleistungsbereiche sogar einen größeren Teil des Arbeitsvermögens stellen. In ihnen entwickeln sich auch neue Kämpfe, die mitunter auf wenig Vorerfahrungen zurückgreifen können. In diesem Teil der Klasse sind viele Kolleginnen aktiv, solche die Zugewandert sind und/oder ihre Kampferfahrungen mit ins Land bringen. Historisch gesehen war dieser Teil der Klasse die Hauptgruppe aus der die IWW bestand.
Gewinnen lernen
Da jede Generation neu kämpfen lernen muss und auch mit neuen Herrschaftstechniken und Herausforderungen konfrontiert ist, begeben wir uns auf die Suche nach Wegen um erfolgreich Gegenmacht aufzubauen. Insbesondere als Gewerkschaft zum Selbermachen, knüpfen wir an die lange Tradition von transnationaler Vernetzung an. So lässt sich beobachten, wie innerhalb der IWW in Nordamerika und Großbritannien eine neue Generation von Aktiven zwischen 25-35 wieder versucht gewerkschaftliche Kampfkraft zu lernen. In den USA startete der Generationenwechsel um 2004, in Großbritannien um 2012 und im deutschsprachigen Raum um 2015.
Suche mit ungewissem Ergebnis
Vieles ist unerprobt, vieles ist unklar, viele Niederlagenerfahrungen sind zu bearbeiten. Vielen von uns fehlt die Fantasie und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Selbstverständlich muss nicht alles neu erfunden werden, sondern Vorerfahrungen sind hilfreiche Wegbegleiterinnen. Unklar ist auch, ob sich die Spaltungslinien nach Geschlecht, Herkunft und Alter produktiv überwinden lassen und wie das Ergebnis aussehen könnte.
Analysemodelle
Modell zur Analyse Das Business Modell Canvas
Modell zur Analyse Das Business Modell Canvas
Business Modell Canvas: Ein Werkzeug des technologischen Angriffs von Seiten der Unternehmen
Forschendes Lernen auf Seiten der Unternehmen
Das iPhone von Apple ist für so ein forschendes Lernen ein gutes Beispiel. Mit spielerischen Methoden und dem Versuch 'Lust auf Mehr zu machen', werden die Bedürfnisse von Kund*innen erforscht und an eine andere Praxis gewöhnt. Anstatt meinen Blick auf den Straßenverkehr zu richten, lasse ich das meine App für mich machen. Anstatt meine Freund*innen direkt anzusprechen, tue ich das über eine Plattform. Die Anordnung der Buttons und die Auswahl der Farben lenken mich in eine bestimmte Richtung. Zumindest ist das die Idee. Und oft genug funktioniert das. Die Offenheit dieses Modells und auch die Lernfreudigkeit der Unternehmer*innen ist aus linker Sicht etwas das wir kennen, ja vielleicht sogar erfunden haben. Weil wir die gesellschaftlichen Verhältnisse nach menschlichen Bedürfnissen organisieren wollen.
Kalifornische Ideologie
Gefährlich ist dieses Modell deshalb, weil hier im Gewand des Spielerischen eine Wendigkeit und Offenheit bei Unternehmen entsteht, die sie auch gegen uns einsetzen. Methoden wie das „agile Management“ oder „Scrum“ gehören zu den Techniken dieser Ideologie. Vermittelt über einige der wichtigsten IT-Firmen der Welt, verallgemeinern sich diese Annahmen auf weite Teile der unternehmerischen Welt. Auf den Begriff gebracht, wird dies kalifornischen Ideologie genannt. Mit Bezugspunkt Silicon Valley in der Region Bay Area/ San Francisco im US-Amerikanischen Kalifornien.
Worker Association Canvas zum Aufbau von Gegenmacht
Worker Association Canvas zum Aufbau von Gegenmacht
Modifikationen
Sie veränderten die Kategorien im Business Canvas Modell hin zu (gewerkschaftlicher) Organisierung. Die Kategorien sollen helfen die eigenen Bedingungen für die Praxis aufzuschlüsseln und forschend herauszufinden was uns spaltet, was uns hilft und wie wir uns gegen Angriffe verteidigen können. Selbstverständlich ist so ein Stand immer nur vorläufig und muss immer wieder angepasst werden. Das Modell soll aber helfen, sich möglichst früh die Fragen zu stellen die erfolgreiche Gegenmacht aufbauen helfen. Ansonsten kann ein Versuch auch schnell nach hinten losgehen.
Kann das gehen?
Skeptisch und fasziniert gleichermaßen, fragten wir uns ob das funktionieren kann. Um zu testen ob das Modell uns und Kolleg*innen in der Praxis hilft oder verändert werden muss, konnte eines unserer Mitglieder eine Forschungsreise durch die USA machen. Dabei interviewte er Organizer*innen in einigen der erfolgreichsten IWW Kampagnen der letzten 14 Jahre. Das Ergebnis vorweg: Das Modell war hilfreich, wurde jedoch ein wenig verändert.
Das überarbeitete Modell findet ihr in Kapitel 3.
AnalysemodelleFeedback zum 'Worker Association Canvas'
Voraussetzungen & Ziele:
- Kolleg*innen die bereits in Kampagnen waren, finden das Tool hilfreich. Anderen erschien es zu weit weg von ihrer Alltagspraxis.
- Die Klassenzusammensetzung hat wenig Raum
- Hilfreiche Systematisierung von Fragen, die im Laufe einer Kampagne aufkommen
- Abschnitt zu Sozialtechniken als Spaltungen ist wichtig
Hintergrund der Studie
Hintergrund der Studie Die Kolleg*innen
Hintergrund der Studie Die Kolleg*innen
Hintergründe zu den 17 Interviewpartner*innen:
• Etwa zwei Drittel der Interviewpartner*innen sprachen Englisch als Muttersprache. Sie waren zum Großteil weiß und männlich, darunter ebenso mixed mit Latina und jüdisch als weitere Hintergründe, sind nicht bedroht von Abschiebung und hatten keine Kinder. Als Zweitsprache wurde am häufigsten Spanisch genannt, jedoch mit geringen Fähigkeiten.
• Von den Teilnehmenden hatte der überwiegende Teil mindestens einen Bachelorabschluss.
Arbeitszeiten
• Wochenarbeitsstunden: Viele von ihnen haben aktuell, oder hatten während der Kampagnen zwei- oder drei Jobs arbeiteten dementsprechend zwischen 50-70 Stunden und haben dennoch kaum genügend Lohn zum Überleben verdient.
(politische) Vorerfahrungen
• Von 17 Kolleg*innen waren 10 vorher in anderen Kampagnen aktiv innerhalb und außerhalb der IWW.
• 9 von ihnen waren vorher IWW Mitglieder
• 8 von ihnen sind noch in der IWW. Beigetreten sind 5 wegen aktiver Kampagnen und 2 sind keine Mitglieder
• Gründe für das Arbeiten bei den Arbeitgebern: 9 gezielt zum salten + Geld; sowie um Arbeitsbedingungen für sich und in der Branche zu verbessern
• 6 haben von den Kampagnen über die IWW oder Freund*innen erfahren.
• 6 wurden gekündigt wegen ihrem Organizing.
• In allen Kampagnen hat ein Teil schon von 6 Monaten bis 7 Jahren vorher dort gearbeitet und schlossen sich den Kampagnen an.
Hintergrund der Studie Systemgastronomie Über Fast-Food als Massenware
Hintergrund der Studie Systemgastronomie Über Fast-Food als Massenware
Zur Entstehung eines neuen Niedriglohnsektors: Systemgastronomie in den USA
In diesem Moment wurden mehr Arbeiter*innen für geringere Löhne eingestellt, und längeren Stunden, was auch ein neues Bedürfnis nach billigem Essen hervorrief. Unternehmen sahen eine neue Chance Profit zu machen, während Investitionen in anderen Bereichen zurückgingen. Der Niedriglohnsektor wurde aufgeblasen. Die Anzahl an Fast-Food-Restaurants explodierte vom Jahr 1960 bis 1970. McDonald's wuchs von 710 Filialen 1965 auf mehr als 3.000 im Jahre 1977.
Als deutliches Zeichen seiner Zeit, beschäftigte McDonald's 1972 mehr als doppelt so viele wir Arbeiter*innen in der US-Amerikanischen Stahlindustrie.
Ketten wie McDonald's stehen exemplarisch für die so genannte Systemgastronomie. Die als Franchise standardisiertes Essen, mit einheitlichem Logo, Arbeitsabläufen und Angeboten, verkauft.
Quelle: Forman, Erik (2014), S. 209
Jimmy John's Workers Union
Die "Jimmy John's Workers Union" Jimmy John's in Minneapolis, Minnesota
Die "Jimmy John's Workers Union" Jimmy John's in Minneapolis, Minnesota
Jimmy John's: "Sandwiches so schnell das du ausrasten wirst."
Politische Position des Chefs
Der Chef Jimmy John Liautad, der gleichzeitig Chef von Milklin Enterprise ist, dem Unternehmen zu dem die Kette Jimmy John’s gehört ist offen dem (rechts-)konservativen Spektrum zuzuordnen, was sich auch in dem alltäglichen Umgang mit den Beschäftigten zeigt. Das ist insofern relevant, weil er sich in Bezug auf die Kampfbedingungen als Person darstellt, der eher gesetzliche Strafzahlungen akzeptiert als beispielsweise seinen Beschäftigten eine Krankenversicherung zu garantieren.
Quelle: Forman, Erik (2014), S. 209
Die "Jimmy John's Workers Union" Vorgeschichte
Die "Jimmy John's Workers Union" Vorgeschichte
Arbeit nach dem Mindestlohn
Die Interviewten Kolleg*innen arbeiteten zum damaligen Mindestlohn von $7.25 US-Dollar, mittlerweile bei $9.25 US-Dollar, und verfügten in der Regel über zwei- oder drei andere Jobs, um das Überleben zu sichern. Die Kampagne bei Jimmy John’s war sehr inspiriert von der SWU und folgte dem Gedanken, in einer strategisch wichtigen Kette zu organisieren.
Inspiriert durch die Starbucks Workers Union
Die Jimmy John’s Kampagne stellt einen Versuch dar, aus den Erfahrungen der SWU zu lernen und in ähnlichem Maße koordiniert zu organisieren. Im Jahr 2016 sind mit der bundesweiten Fight for $15 Kampagne unter anderem Organisierungsversuche in Niedriglohnsektoren wie der Systemgastronomie gestartet, die Ähnlichkeiten mit den hier vorgestellten Kampagnen aufweisen.
Die "Jimmy John's Workers Union" Weiterführende Folgen
Die "Jimmy John's Workers Union" Weiterführende Folgen
- Laut Angaben der JJWU waren sie die erste Gewerkschaft im Fast-Food-Sektor der USA. Sie waren auch eine Inspirationsquelle für die Burgerville Kampagne.
- Ein Jahr nach einem Höhepunkt der Kampagne machten zwei Kollegen eine europaweite Tour und brachten das Organizing Training Programm in verschiedene Regionen. Diese Entwicklung stieß eine engere Kooperation und Erfahrungsaustausch zwischen den Regionen der IWW an.
- Eine große Inspiration war die Kampagne ebenfalls, da sie von mehreren politisch-aktiven Organizer*innen über mehrere Jahre durchgeführt wurde.
- Bis heute gibt es aktive Organizer*innen bei Jimmy John's und es kommen gelegentlich neue hinzu.
Starbucks Workers Union
Die "Starbucks Workers Union" Starbucks in New York City
Die "Starbucks Workers Union" Starbucks in New York City
Starbucks: "Ein dritter Ort zwischen Arbeit und Zuhause"
Filialnetz
Der größte Teil der Filialen liegt in den USA, insgesamt ist das Unternehmen in über 60 Ländern verbreitet. Sie verkaufen sowohl Kaffee, als auch andere Kalt- und Heißgetränke, sowie Snacks. Im Jahr 2013 machte das Unternehmen einen Umsatz von $14,89 Milliarden US-Dollar. Dabei gehört zu den Spezifika der Marke, dass sie nach Eigenangabe einen „dritten Ort zwischen Arbeit und Zuhause“ kreieren wollen.
Technologischer Angriff
Gleichzeitig investiert das Unternehmen viel Geld in technische Innovationen, wie Apps mit denen bereits von Unterwegs bestellt werden kann. Mittels einem App-betriebenen Schichtplansystem wirbt das Unternehmen damit, planen zu können, wie viele Kund*innen sich im Laden aufhalten. Starbucks gehört zu den Vorreitern dieser technologischen Offensive in der Systemgastronomie und der Gestaltung von Arbeitsabläufen. Bereits seit 2011 experimentieren sie mit verschiedenen Formen von Apps.
Teilzeit-Arbeiter*innen
Das Unternehmen hält so, ihre größtenteils Teilzeitangestellten, auf Abruf oder bestellt diese ein. Diese bequeme Funktion für die Kund*innen hat vor allem den Effekt, die Arbeitsdichte für die dort arbeitenden Kolleg*innen zu erhöhen, um die Profitrate möglichst hoch zu halten. Wie in den Interviews deutlich werden wird, nimmt die Starbucks Workers Union (SWU) diese technische Innovation besonders ernst, weil sie eine große Rolle im Alltag der Baristas spielt.
Quelle: Geereddy (2013)
Die "Starbucks Workers Union" Vorgeschichte
Die "Starbucks Workers Union" Vorgeschichte
Die SWU ging Ende 2004 in New York City, nach einer Vorbereitungszeit von ca. einem Jahr, an die Öffentlichkeit. In der Reportage geht es leider nur um die New Yorker SWU. Weitere Sektionen existierten oder existieren in Chicago; Grand Rapids/Michigan, Cincinnati, Quebec City, Bloomington, Minnesota und Omaha, Nebraska. Sie gehört zu den ersten größeren Organisierungsansätzen der IWW in den letzten 40 Jahren.
Modellcharakter
Sie hatte Modellcharakter im Sinne der IWW, als auch für andere Gewerkschaften. Diese Branche galt vorher als unorganisierbar. Heute ist das anders. Ebenfalls verursachte die SWU einen Erneuerungseffekt innerhalb der IWW, der Vorbildcharakter in verschiedenen Regionen der Welt hatte. Diese Wirkung entfaltete sich vor allem durch den „Global Day of Action against Starbucks“ am 05. Juli 2008, an dem sich Arbeiter*innen u.a. aus Deutschland, Großbritannien, Spanien, Irland, Argentinien, Chile und Frankreich beteiligten.
Erneuerung der IWW
Durch diese Kampagnen belebten die beteiligten Arbeiter*innen das alte Prinzip der IWW, das darin besteht, sich aus strategischen Gründen bei bedeutenden Unternehmen anstellen zu lassen. Um durch ihre besondere Stellung in der Wertschöpfungskette nicht nur Bedingungen im eigenen Laden zu verbessern, sondern damit auch eine Wirkung auf die gesamte Branche zu erzielen. Gleichzeitig fehlen Aufzeichnungen darüber, wie viele Mitglieder die SWU wirklich hatte. Die Kampagne hatte auch innerhalb der IWW eine Erneuerung von Personen zur Folge.
Die "Starbucks Workers Union" Weiterführende Folgen
Die "Starbucks Workers Union" Weiterführende Folgen
Was wurde aus den Erfahrungen der Kolleg*innen?
- Das Modell der SWU, als relativ autonome Organisation die mit der IWW verbunden ist, gilt als Folie für weitere Organizing-Projekte
- Die weltweite Solidaritätskampagne der Internationalen ArbeiterInnenassoziation unterstützt die Kolleg*innen und verhilft der IWW zu neuer Bekanntheit und motiviert andere Kolleg*innen
- Die SWU knüpft an das Modell einer der erfolgreichsten IWW Sektionen an, die nur über direkte Aktionen Macht ausgeübt hat.
- Bis heute beziehen sich neue Kolleg*innen bei Starbucks regelmäßig auf die SWU. Eine vergleichbare Wirkungskraft scheint die Organisierung jedoch im Moment nicht zu haben.